“Menschen wieder Selbstwertgefühl geben“
Interview mit Psychologin Gabriele Waidner, die in der Justizanstalt Stein tätig ist, über die Bedeutung von Arbeit und Tagesstrukturen im Strafvollzug. Und warum der Kauf eines Jailshop-Produktes bei der Reintegration helfen kann.
„Der Kauf eines Produktes, das ein Insasse eines unserer Justizanstalten hergestellt hat, ist ein enorm wichtiger Punkt“, erzählt Oberrätin Mag.a Gabriele Waidner, Psychologin in der Justizanstalt Stein. „Die Tätigkeit, die mit der Herstellung eines Produktes verbunden ist, kann viele positive psychologischen Nebeneffekte für den Insassen habe, was längerfristig gesehen eine erfolgreiche Reintegration in die Gesellschaft bewirken kann.“
Waidners Berufsbezeichnung in Stein lautet „Leiterin Department Maßnahmenvollzug“. „Diese Bezeichnung bedeutet, dass ich mich um geistig abnorme, aber zurechnungsfähige Täter kümmere. Diese sind nach § 21 Abs. 2 StGB verurteilt“, so Waidner, die seit 15 Jahren als Psychologin in Justizanstalten arbeitet. Diese Betreuung sei enorm wichtig, denn nur so kann man psychisch adäquat und individuell Maßnahmen ergreifen.
Das Department Maßnahmenvollzug wurde erst vor kurzem seitens des Justizministeriums geschaffen und mit entsprechenden Qualitätsstandards ausgestattet. „Es sind sehr unterschiedliche Täter, die in die Justizanstalten kommen. Manche können ihre Handlungen kaum reflektieren, manche können das wiederum sehr gut. Aber am Ende geht es darum, dass sie nicht nur aus Gründen der Strafe im Gefängnis sitzen, sondern dass bei den Fällen derjenigen, die im Maßnahmenvollzug untergebracht sind, die Gefährlichkeit abgebaut wird. Das ist für unsere Arbeit hier ganz zentral. Der große Teil der Strafgefangenen des Normalvollzuges sollen natürlich auch an ihren Problematiken arbeiten. Für alle Insassen im gesamten Strafvollzug gilt es Verbesserung der Frustrationstoleranz, Konfliktfähigkeit, Selbstverantwortlichkeit, Selbstbestimmungsfähigkeit, Steigerung des Selbstwertgefühles und vieles mehr zu erreichen.“
Hilfestellung ist eine enorm wichtige Stütze des Strafvollzugs. „Oft wird die Meinung vertreten, dem Staat gehe es nur um die Täter, nicht aber um die Opfer. Was wir hier machen, ist aber zukünftige Opfer vermeiden. Dies geht am besten über die Reintegration“, sagt Gabriele Waidner.
In den zahlreichen Betrieben in den Justizanstalten Österreichs lernen viele Insassen eine Tagesstruktur kennen. Es gibt pünktlich Frühstück, dann wird in den Betrieben gearbeitet, Pausen sind zeitlich eingeplant, usw. „Viele Insassen haben einen Hintergrund, der viel mit Vernachlässigung, mit Misshandlungsgeschichten und dergleichen zu tun haben. Da ist das Erlernen und Erfahren einer Tagesstruktur wichtig.“ Freilich gibt es unterschiedlichen Vollzugsstadien, mal mit mehr selbstbestimmter Tageszeit, mal mit weniger. Auch Ausbildung gehört zu diesen Strukturen: „Wir ermöglichen etwa eine Lehre zu machen oder den Hauptschulabschluss nachzuholen. Dafür gibt es eigens freigeschaltene Internetseiten im Rahmen der ELIS-Plattform. Dort können Insassen lernen und Schulungen absolvieren.“ Manchmal gibt es sogar Studenten und Studentinnen, die im Gefängnis studieren.
Es gibt aber auch Insassen, mit denen man anders arbeiten muss. „Wir müssen freilich vorher immer erst rausfinden, wie arbeitsfähig jemand überhaupt ist. Manche sind – zumindest anfangs – nicht in der Lage eine Tagesstruktur zu leben oder bereits in Teams zu arbeiten. Dafür gibt es in einigen Justizanstalten Ergotherapeuten und -therapeutinnen. Dort erlernen sie beispielsweise Kunsthandwerk, entwerfen Gemälde oder töpfern. Gerade diesen Menschen gibt man wieder viel Selbstwertgefühl, wenn sich andere Menschen an diesen Produkten erfreuen. So ist der Kauf eines Produktes im Jailshop eine Hilfe für die Reintegration“, ist Gabriele Waidner überzeugt.