Wenn Andi Slobodan trifft – Alltag in der Ergotherapie in Göllersdorf
Beide kamen vor rund drei Jahren in die Justizanstalt Göllersdorf. Andi B* als Insasse und Patient sowie Slobodan Berić als Ergotherapeut. Sie erzählen von ihrem Alltag und ihrer Arbeit.
„Ich weiß, dass mir hier geholfen wird. Auch wenn es nicht immer nur gute Phasen gibt. Aber die Therapien und die Arbeit hier helfen mir sehr“, sagt Andi B. Er ist derzeit besonders motiviert, denn eine weitere Therapie außerhalb der Justizanstalt Göllersdorf könnte bald möglich sein: „Die Ergotherapie macht mir Spaß. Sie ist Ablenkung und sehr hilfreich.“ Derzeit arbeitet er mit feinen Mosaiksteinen und bastelt an einem Spiegel. Am stolzesten ist er aber auf seine Spielzeugautos, die er hier hergestellt hat. „Die habe ich meinen Söhnen geschenkt“.
Fast gleichzeitig kam Slobodan Berić (Foto) nach Göllersdorf. Der Krankenpfleger entschied sich vor einigen Jahren Ergotherapie zu studieren. „Um Ergotherapeut zu werden muss man drei Jahre an der Fachhochschule studieren. Mich interessierte schon immer die Wechselwirkung aus Psychiatrie und Ergotherapie. Die Fachrichtung der forensischen Ergotherapie kann man in Österreich leider nicht studieren. Aber zuerst dachte ich ohnehin noch nicht an die Justiz, das kam erst später.“
Viele Kollegen hätten Angst vor der Kombination mit Psychiatrie, meint Herr Berić: „Das ist noch immer ein Tabuthema. Aber hier habe ich die Chance bekommen und hier werde ich auch bleiben.“ Anstaltsleiterin Daniela Seichter flankiert, „denn viele haben gar keine Vorstellung darüber, wie die Arbeit in Justizanstalten ist. Das war bei mir anfangs ja auch so. Man kennt Justizanstalten nur aus TV-Serien oder Filmen. Die Realität ist aber eine andere. Das lernt man erst, wenn man wirklich hier arbeitet.“ Ergotherapeut:innen seien tatsächlich schwer zu finden: „Daher schicken wir mittlerweile Ausschreibungen direkt an die Fachhochschulen.“
Slobodan Berić schafft mit seinen Kolleg:innen in der Werkstatt Struktur für seine Patienten: Regelmäßige Arbeitszeiten und Arbeitswege schaffen Tagesstrukturen, die sehr wichtig sind. Das Arbeiten mit verschiedenen Materialien hilft den Untergebrachten. “Ergotherapie geht davon aus, dass Tätigsein ein menschliches Grundbedürfnis ist und eine therapeutische Wirkung hat.“ Dass diese Produkte dann auch auf Weihnachts- und Ostermärkten sowie online im Jailshop verkauft werden, sei sehr wichtig: „Das hilft unseren Patienten in ihrem Selbstbild. Wenn sie ein Erfolgserlebnis haben bekommen sie das Gefühl, etwas geleistet zu haben. Das freut! Das motiviert auch wieder raus zu wollen. Es gibt ja auch Patienten die Angst davor haben. Dadurch haben sie eine Verbindung zur Gesellschaft.“
Für Andi B. ist der Alltag strukturiert, wie er erzählt: „Ich stehe um sieben auf, trinke Kaffee, dann geht die Tür auf und ich bekomme meine Medikamente. Danach versehe ich meinen Dienst, putze etwa den Rauchraum, die Tische, den Boden. Anschließend beginnen meine Therapien. Nach den Therapien ist häufig noch Arbeit angesagt, zum Beispiel muss Müll entsorgt oder das Geschirr gereinigt werden. Danach habe ich Zeit Musik zu hören oder Bücher zu lesen. Am Schönsten ist es, wenn ich mit meinem Sohn telefonieren kann.“
Andi B. geht in Gruppentherapie, Einzeltherapie, Ergotherapie und besonders freuen ihn die so genannten „Geh-Sprech-Gruppen“, wo man beim Spazieren Gedanken austauscht. Ob ihm die Arbeit in der Werkstätte weiterhelfen wird? „Das weiß ich nicht, aber eigentlich will ich Bäcker werden. Ich habe drei Jahre bereits als Bäckergehilfe gearbeitet. Das ist ein schöner Beruf und wer isst nicht gerne Brot?“
Für Andi B. könnte ein Leben außerhalb der Maßnahmen in der Justizanstalt Göllersdorf bald – nach wie vor therapeutisch begleitet – möglich sein. Dies ist auch für Slobodan Berić ein Erfolgserlebnis: „Nicht nur der Patient, der raus kommt, hat damit dieses Erfolgserlebnis sondern wir auch“, wie er betont.
Andi B. liest derzeit das Buch „Wohin die Liebe führt“. Abends denkt er meistens an seine Söhne und seine Familie. „Leider habe ich derzeit nur noch zu einem Sohn Kontakt. Ich vermisse sie.“ Umso motivierter ist er, sich an seinem Heilungsprozess aktiv zu beteiligen. „Hier wurde mir wirklich geholfen. Ich bin auf einem guten Weg.“
*Name seitens der Redaktion geändert
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